Jahrbuch der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft 2019
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Armin Scholl, Volker Gehrau & Annie Waldherr
Integration und Desintegration sind nicht notwendig Gegensätze, sondern immer auch zwei Seiten derselben Medaille. Integration ist nie total, sondern indirekt und unbewusst auch abgrenzend, ausschließend. In diesem Band geht es insbesondere um die integrierenden und desintegrierenden Mechanismen der digitalen bzw. digitalisierten Kommunikation. Vor diesem Hintergrund führt die Einleitung in die Beiträge dieses Proceedings ein und diskutiert schließlich den gesellschaftlichen Stellenwert digitalisierter Kommunikation in Bezug auf Integration und Desintegration.
Patricia Müller & Wolfgang Schweiger
Die Bedingungen öffentlicher Kommunikation haben sich durch die Digitalisierung deutlich verändert. Das zeigt sich etwa in der Medien- und Angebotsvervielfachung, einer beschleunigten und flexibilisierten Aussagenproduktion und -rezeption sowie der algorithmisch-personalisierten Verbreitung von Inhalten. Blickt man auf öffentliche und kommunikationswissenschaftliche Debatten, scheinen diese Veränderungen in erster Linie Desintegration und gesellschaftliche Polarisierung zu fördern. Gesellschaftlich funktionale, integrierende Phänomene finden trotz ihrer Existenz nur wenig Beachtung. Zudem bedingen sich Desintegration und Integration meist auf verschiedenen Ebenen gegenseitig. Schließlich bezieht sich die bisherige Theoriebildung und Forschung zu (Des-)Integration durch Kommunikation überwiegend auf Massenmedien. Diese machen allerdings nur noch einen Teil der öffentlichen Kommunikation aus und befinden sich ihrerseits in einem stetigen Veränderungsprozess.
Um der eminenten Bedeutung der digitalen Transformation sowohl von (öffentlicher) Kommunikation für Desintegration als auch für Integration auf verschiedenen Ebenen gerecht zu werden, schlägt der Beitrag ein Framework vor. Es soll die Systematisierung, Einordnung und Verknüpfung verschiedenster Forschungsfragen zu diesem Themenfeld ermöglichen. (Des-)Integration wird dabei als Zusammenspiel von kommunikativer und sozialer (Des-)Integration begriffen. Phänomene kommunikativer (Des-)Integration hängen unmittelbar mit den sich wandelnden Bedingungen digitaler Kommunikation zusammen und korrespondieren mit sozialer (Des-)Integration.
Der Beitrag erläutert das Framework und diskutiert seine Elemente sowie deren Interdependenzen anhand verschiedener Beispiele.
Merja Mahrt
Während Massenmedien üblicherweise integratives Potenzial zugeschrieben wird, wird dem Internet eher eine schädliche Wirkung auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt unterstellt. Entsprechende Metaphern zu „Filterblasen“ und „Echokammern“ haben inzwischen auch in den öffentlichen Diskurs Einzug gehalten. Studien, die entsprechende Wirkungen einer digitalen Fragmentierung nachweisen, sind allerdings bisher eher selten. Der empirische Forschungsstand stützt Befürchtungen zu einem deutlichen Verlust an gesellschaftlichem Zusammenhalt durch das Internet somit nicht. Allerdings gibt es bei Extremgruppen am politischen Rand Anzeichen für digitale Fragmentierung. Angesichts des heterogenen Forschungsstands systematisiert der Beitrag theoretische Annahmen und empirische Befunde und argumentiert, dass die Erfassung digitaler Fragmentierung und ihrer Wirkungen weiter notwendig ist.
Paula Stehr
Prosoziales Handeln ist eine Grundvoraussetzung für den Zusammenhalt in demokratisch verfassten Gesellschaften und eng mit Kommunikation verknüpft. So werden beispielsweise emotionale und informationelle Unterstützung über wechselseitige Gespräche verwirklicht, aber auch andere prosoziale Handlungen häufig zusätzlich verbalisiert. Medial vermittelte Kommunikationsmodi erweitern die Anzahl möglicher Interaktionspartner und damit die prosozialen Handlungsmöglichkeiten. Der Beitrag widmet sich der Frage, wie prosoziales Handeln im Zusammenhang mit Kommunikation in den Alltag der Menschen integriert ist: Welche Arten prosozialen Handelns lassen sich beobachten, welche Kommunikationsmodi werden dafür genutzt und in welcher Relation stehen diese beiden Aspekte? Ergebnisse einer teilstandardisierten Tagebuchstudie mit 57 Teilnehmenden zeigen, dass ein Großteil der prosozialen Handlungen Face-to-Face realisiert wurde, aber auch eine Reihe medienvermittelter Modi zum Austausch von emotionaler, informationeller und instrumenteller Unterstützung genutzt wurden. Neben der Umsetzung von Unterstützungsleistungen an sich haben medienvermittelte Kommunikationsmodi außerdem eine große Bedeutung für deren Absprache und Ankündigung.
Alina Semmer & Claudia Riesmeyer
Dass Medien mit Lügenpresse- und Propaganda-Vorwürfen konfrontiert werden, ist nicht neu. Auch wenn diese kritischen Kommentator*innen nur einen kleinen Teil der Nutzer*innen ausmachen, beeinflusst ihre Kritik Journalist*innen und andere Nutzer*innen. Die Themen Immigration und Gender provozieren häufig beleidigende Kommentare. Die Motive der Nutzer*innen sind dabei vielfältig. Insbesondere während der sogenannten Flüchtlingskrise veröffentlichen sie auf sozialen Netzwerken rechtsradikale, fremdenfeindliche und rassistische Posts. Ein Beispiel für solche Posts untersucht der Artikel. Er analysiert die Kontroverse um die vom Kinderkanal ausgestrahlte Sendung "Malvina, Diaa und die Liebe" mit einer quantitativen und qualitativen Inhaltsanalyse und zeichnet deren Verlauf aus Nutzer*innensicht nach. Dazu wertet er 878 Beiträge von Nutzer*innen aus und zeigt, dass sich die Mehrzahl kritisch mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Verfehlen des Programmauftrages) oder anderen Kommentaren auseinandersetzt. Auf eine Begründung wird meist verzichtet. Die Diskussion scheint genutzt zu werden, um den Ärger über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu artikulieren. Äußerungen dieser Art überwiegen bei weitem, obschon sich auch Fürsprecher'*innen zu Wort melden und die Rolle des Kinderkanals für Jugendliche und deren Bildung betonen. Deutlich wird, dass populistische Aussagen und ein Verunglimpfen der Medien keine faktenbasierten Argumente benötigen und dass eigentlich sachfremde Ereignisse für die eigene Überzeugung und zur Stärkung der Ingroup instrumentalisiert werden.
Lars Rinsdorf & Laura Theiss
Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Integrationspotenzial nebenberufliche freier Mitarbeiter*innen von Lokalzeitungen in lokalen Öffentlichkeiten in Deutschland. Er liefert aktuelle Daten zu einer Teilgruppe journalistischer Produzent*innen, die nur selten empirisch untersucht werden. Der Beitrag untersucht, ob sich hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Verortung, ihrer Motivation und Gratifikationen, ihren Orientierungshorizonten sowie ihres Grades der Integration in die Lokalredaktionen erwarten lässt, dass über nebenberuflich tätige freie Mitarbeiter*innen lebensweltliche und zivilgesellschaftliche Themen und Perspektiven Eingang in die Berichterstattung finden. Die Ergebnisse einer Online-Befragung von 662 freien Mitarbeiter*innen sprechen insgesamt dagegen, dass freie Mitarbeiter*innen das Integrationspotenzial lokaler Tageszeitungen bemerkenswert erhöhen. Sie orientieren sich sehr stark an etablierten professionellen Normen und sind eng in die Themenstrategie ihrer Redaktionen eingebettet.
Benjamin Krämer
Der Beitrag diskutiert implizit und explizit in der Kommunikationswissenschaft vertretene Gesellschaftsvorstellungen und fragt, was wir meinen, wenn wir von der Integration der Gesellschaft durch Medien sprechen. Vielfach herrscht die Vorstellung einer durch gemeinsame Werte zusammengehaltenen Gesellschaft, wie sie auch in der populären Diskussion um Integration Zugewanderter meist vertreten wird. Eine Integration durch Medien stellt man sich oft so vor, dass sie durch massenmedial verbreitete gemeinsame Themen bewirkt wird oder durch Konformitätsstreben aufgrund medial konstruierter Meinungsklimata. Eine solches auf Gleichsinnigkeit beruhendes „gemeinschaftliches“ Gesellschaftsbild liegt trotz aller bedeutsamer Unterschiede auch dem Rechtspopulismus zugrunde. Dieser etwas provokative Vergleich regt zur kritischen Reflexion darüber an, welchen anderen (deskriptiven und normativen) Gesellschaftstheorien man sich vermehrt zuwenden sollte, die eine Vielfalt von Integrationsmechanismen vorsehen und einen Rahmen schaffen, wie mit differenzierten und widerstreitenden Wertvorstellungen umgegangen werden kann.
Laura Terstiege
Der Beitrag behandelt die Integration und Identifikation von Kommunikationsexperten und -expertinnen in virtuellen Teams. Da Arbeitsformen immer flexibler werden, findet die Arbeit in Organisationen häufig entgrenzt und mittels virtueller Teams statt. Die sich daraus ergebende physische Abwesenheit und das Ausbleiben lokaler Face-to-Face-Kommunikation stellt Anforderungen an die Integration der Mitarbeitenden. Um diese zu integrieren, ist die Identifikation der Einzelnen z. B. mit der Organisation und dem Team eine wichtige Voraussetzung.
Es wurde untersucht, womit sich Kommunikationsexperten und -expertinnen in Zeiten virtueller Zusammenarbeit identifizieren und durch welche Faktoren die Integration durch Identifikation mit der Organisation und dem Team zum einen beeinflusst wird sowie zum anderen aktiv geschaffen werden kann. Dazu wurden zehn qualitative Interviews mit Kommunikationsexperten und -expertinnen durchgeführt und mittels strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet.
Juliane Wegner, Elizabeth Prommer & Carlos Collado Seidel
Das freie Wort befindet sich in der Wahrnehmung von Autorinnen und Autoren in Deutschland unter starkem Druck. Die Studie, an der sich 526 Schriftstellerinnen und Schriftsteller beteiligt haben, fördert erschreckende Zahlen zutage: Drei Viertel sind in Sorge über die freie Meinungsäußerung in Deutschland und beklagen eine Zunahme von Bedrohungen, Einschüchterungsversuchen und hasserfüllten Reaktionen. Jeder Zweite hat bereits Übergriffe auf seine Person erlebt und hat außerdem Kenntnis von Angriffen auf Kolleginnen und Kollegen. „Das freie Wort unter Druck“ ist ein Forschungsprojekt des Instituts für Medienforschung und des PEN-Zentrums Deutschland.
Andrea Häuptli, Lisa Schwaiger & Mark Eisenegger
Die demokratietheoretische Qualität von Newsinhalten auf sozialen Medien ist vor dem Hintergrund der Digitalisierung der Öffentlichkeit von gesellschaftlicher Relevanz. Können jedoch Newsinhalte von hoher Qualität genügend Engagement erzielen, um in den Social Media Strategien aufgenommen zu werden? Dieser Beitrag analysiert die Publikationen von fünf Schweizer Online-Newsmedien auf Facebook und verbindet demokratietheoretische Qualität mit der Intensität der Nutzerreaktionen (Engagement), gemessen als die Summe von reactions, shares und comments. Die Analyse zeigt eine positive Korrelation zwischen niedriger Qualität und hohem Engagement: Je geringer die Themenrelevanz und je weniger professionell die Artikel, umso höher das erzielte Engagement. Leitmedien können jedoch mit qualitativ hochstehenden Inhalten hohes Engagement auslösen, was auf die Relevanz der Medientypen verweist: Einordnungsleistung, d.h. die informative Tiefe eines Artikels, hat einen signifikant positiven Effekt auf Engagement im Fall des qualitativ hochstehenden Medientitels NZZ.
Sünje Paasch-Colberg, Christian Strippel, Laura Laugwitz,
Martin Emmer & Joachim Trebbe
Aggressive und diskriminierende Kommentare im Umfeld journalistischer Berichterstattung auf Nachrichten-seiten und in sozialen Medien gelten als Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Herausfor-derung für die verantwortlichen Redaktionen. Auf der Basis von 20 qualitativen Leitfadeninterviews mit Com-munity Manager*innen untersucht dieser Beitrag, welche Moderationsstrategien im Umgang mit Hasskommen-taren ergriffen werden und welche Faktoren diese Moderationsentscheidungen erklären können. Mit Rückgriff auf die Gatekeeping-Forschung werden die Ergebnisse zu einem Modell von Erklärungsfaktoren verdichtet, das diese ‚Moderationsfaktoren‘ auf den Ebenen des Individuums, der Profession, der Organisation und der Gesellschaft anordnet.
Susanne Keil & Juliane Orth
Technik wird in unserer Gesellschaft noch immer mit Männlichkeit assoziiert. Das Bild eines Mannes, der mit einer schweren Bohrmaschine arbeitet, erscheint uns vertrauter als das einer Frau, die dieselbe Tätigkeit ausführt. Derartige Repräsentationen von Technik und Geschlecht werden auch von den Medien verbreitet und könnten so bereits Mädchen und jungen Frauen den Zugang zu Technik erschweren. Digitalisierte Medienwelten bieten allerdings die Möglichkeit, neue Technik-Bilder zu entwerfen und dominante Vorstellungen dadurch zu verschieben. Hier könnten Öffentlichkeiten für Mädchen und Frauen entstehen, die eine Selbstverständigung über technische Interessen und damit einhergehend eine Erfahrung von Kompetenz vermitteln könnten. Anhand von fünf Gruppendiskussionen mit 12- bis 15-jährigen Gymnasiastinnen wurden deren Technikverständnis, deren Nutzung digitaler Medien zu Technikthemen, vor allem aber auch deren Ideen zu einer für sie attraktiven Vermittlung von Technikthemen erfragt. Dabei wurden insbesondere die Vorteile einer symmetrischen Kommunikation im Netz deutlich.
Anna-Carina Zappe¹, Mariella Bastian², Laura Leißner³, Jakob Henke¹ & Susanne Fengler¹
Spätestens seit dem Jahr 2015 sind Migration und Zuwanderung fester Gegenstand politischer Debatten in Deutschland. Verschiedene kommunikationswissenschaftliche Studien widmen sich daher der medialen Berichterstattung zu diesen Themen und untersuchen, wie diese auf die Wahrnehmung von Migranten innerhalb der deutschen Bevölkerung wirkt (z.B. Arlt & Wolling, 2017). In Abgrenzung dazu widmet sich die hier vorliegende Studie der Frage, wie Migranten selbst die Migrationsberichterstattung rezipieren, wie sie diese wahrnehmen und wie diese persönliche Migrations- und Integrationshandlungen prägt. Dazu wurden zwei Fokusgruppendiskussionen mit Migranten aus Subsahara-Afrika geführt. Diskutiert wurden sowohl die Rezeption und Bewertung der Migrationsberichterstattung im Herkunftsland als auch in Deutschland. Die Ergebnisse zeigen, dass das Thema Migration kaum Gegenstand der in den Herkunftsländern rezipierten Berichterstattung war, weshalb persönliche Migrationsentscheidungen vor allem durch interpersonale Kommunikation beeinflusst wurden. Die Migrationsberichterstattung in Deutschland nahmen die afrikanischen Teilnehmer als zu einseitig und zu reduziert auf die Subthemen Armut und Krieg wahr.
Carolin Jansen, Katarina Bader & Lars Rinsdorf
Untersuchungen zeigen, dass online veröffentlichte Desinformationen nicht nur von populistischen Akteuren genutzt werden, sondern auch selbst populistische Merkmale enthalten. Kennzeichnend für populistische Akteure ist die Betonung der Unterschiede zwischen Volk und Eliten sowie zwischen Mehrheiten und Minderheiten, wodurch ihr Kommunikationsverhalten in starkem Kontrast zu einem integrativen Demokratieverständnis steht: Im Zentrum derartig populistischer Kommunikation steht vielmehr die Polarisierung der Gesellschaft und die Schwächung des sozialen Zusammenhalts. Ausgehend von der Behandlung des Populismus als Phänomen der Kommunikation und der Verwendung von vier Kategorien zum Grad des Populismus präsentieren wir Ergebnisse einer Inhaltsanalyse von N=489 verifizierten sogenannten Fake News aus dem deutschsprachigen Raum. Unsere Ergebnisse belegen, dass Fake News kein rein populistisches Phänomen sind, aber sehr stark in diese Richtung tendieren. Zudem zeigen wir, dass die von Jagers & Walgrave (2007) entwickelten und von de Vreese et al. (2018) angewandten Kategorien des Empty-Populismus (Fürsprache für das Volk), Excluding-Populismus (Fürsprache für das Volk, Ausschluss von Minderheiten), Anti-Eliten-Populismus (Fürsprache für das Volk, Angriffe auf Eliten) und Complete-Populismus (Fürsprache für das Volk, Ausschluss von Minderheiten, Angriffe auf Eliten) hilfreich sind, um verschiedene Gruppen von populistischen Fake News im deutschsprachigen Raum zu klassifizieren. Darüber hinaus werden die Ergebnisse mit einer Netzwerkstrukturanalyse der recherchierten Fake-News-Portale kombiniert, die darauf hindeuten, dass präsentere und weniger präsente Portale existieren, die Fake News mit populistischem Tenor veröffentlichen. Mit diesen Ergebnissen sind wir in der Lage, jene Portale zu identifizieren und zu charakterisieren, die für das deutschsprachige Fake-News-Netz von zentraler Bedeutung sind. Diese Portale bergen das Risiko, in der digitalisierten Gesellschaft die integrierende Funktion zu untergraben, die Journalismus in Demokratien im Idealfall zukommt.
Die Analyse wurde durchgeführt im Rahmen des Verbundprojektes "DORIAN - Desinformation aufdecken und bekämpfen", das seit 2017 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird (Förderkennzeichen 16KIS0772).
Christian Strippel & Sünje Paasch-Colberg
Viele Redaktionen haben in den vergangenen Jahren Maßnahmen ergriffen, um ausfallenden Nutzerbeiträgen, Beleidigungen und Hassrede in den Kommentarspalten und Diskussionsforen ihrer Internetseiten zu begegnen. Neben der Formulierung von Community-Richtlinien, manueller Kommentarmoderation und dem Einsatz von Monitoringsoftware kommt dabei der „Diskursarchitektur“, der technischen Ausgestaltung dieser Kommentar-bereiche, eine große Bedeutung zu. Dazu zählen etwa verschiedene Formen der Registrierung, die Sortierung der Kommentarthreads oder verschiedene Grade der Anonymisierung. Die bisherige Forschung zu dem Thema hat solche Diskursarchitekturen zumeist in Fallstudien vergleichend untersucht, um möglichen Effekten der technischen Umgebung auf das Kommentarverhalten nachzuspüren. Die einzelnen Bestandteile von Diskurs-architekturen wurden dabei in der Regel analytisch nicht differenziert. Dieser Lücke widmet sich der vorlie-gende Beitrag und präsentiert eine Studie, in der alle von der IVW ausgewiesenen 361 redaktionell betreuten deutschen Nachrichtenseiten differenziert auf zehn verschiedene Merkmale hin analysiert wurden. Dabei zeigt sich, dass jene 173 Nachrichtenseiten, die überhaupt Kommentarspalten anbieten, ihre Möglichkeiten zur tech-nischen Regulierung bei Weitem nicht ausschöpfen. Mit Hilfe einer hierarchischen Clusteranalyse wurden schließlich fünf distinkte Typen von Diskursarchitekturen in Kommentarspalten identifiziert, die in zukünftigen Studien zur Klassifizierung genutzt werden können.
Peter Gentzel, Paula Nitschke & Jeffrey Wimmer
Für gesellschaftliche Integration und Diversifikation ist der städtische Raum von besonderer Bedeutung. Der vorliegende Beitrag hat deshalb zum Ziel, die Digitale Stadt als Forschungsfeld für die Kommunikationswissenschaft zu erschließen. Die bisherige (deutschsprachige) Erforschung des Zusammenhangs von Medien und Stadt und idealtypische Aussagen zum Verhältnis von Medien, Lokalität und Integration in Studien zu Massen- und Onlinemedien werden dazu mit dem Forschungsstand in anderen Disziplinen, wie der Humangeografie, der kritischen Soziologie und Stadtplanungsforschung, sowie der Politikwissenschaft kritisch kontrastiert. Mit Hilfe des Begriffs der georeferenziellen Digitalmedien wird der traditionelle kommunikationswissenschaftliche Medienbegriff erweitert, um aktuelle Phänomene wie die medientechnologische Durchdringung von Städten und deren Inklusions- wie Exklusionstendenzen differenzierter analysieren zu können.
Volker Gehrau, Armin Scholl & Annie Waldherr
Die in diesem Jahrbuch veröffentlichten Beiträge sind notwendigerweise nur eine Auswahl der auf der Tagung präsentierten Beiträge und können daher auch inhaltlich nur einen kleinen Ausschnitt des breiten Themenfeldes "Integration durch Kommunikation" vermitteln. Diesen Ausschnitt ergänzen wir hier in Form eines überblicksartigen Tagungsberichts. Es werden die inhaltlich relevanten Aspekte aus dem Call for Papers vorgestellt und durch die Autor*innen und Titel aller auf der DGPuK Jahrestagung 2019 in Münster gehaltenen Vorträge ergänzt.